Montag, 16. April 2018

Ein Amulett gegen Fehlgeburt — Teil 1


Ein Adlerstein auf Ebay

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Die Idee ist wunderbar, fangen wir gleich damit an. Schulchan Aruch, Hilchot Schabbat, Kapitel 303, Halacha 24 (aus Talmud Bavli 66b):
יוצאה באֶבֶן תְּקוּמָה ובמשקל ששקלו כנגדו שלא תפיל ואפילו לא נתעברה עדיין.
„Eine Frau darf am Schabbat mit einem even tekuma [Schutzstein] ausgehen und mit einem entsprechenden Gegengewicht, damit sie nicht fehlgebärt. Sogar wenn sie nicht schwanger ist.“
Der hier erwähnte Schutzstein, אֶבֶן תְּקוּמָה (even tekuma), den die Frau am Schabbat tragen darf ist gewiss ein Amulett, nur welches? Der Talmud verzeichnet diese Halacha im Namen von Rabbanan und Rabbi Meir, gibt aber keine genaure Auskunft über das Amulett. Mischna Berurah (77) zitiert die Erklärung von Maharaschal (Schlomo Luria 16. Jh.ז"ל):
Ich sah einen Stein mit einem Hohlraum, in dem ein kleiner Stein sich befand wie der Klöppel einer Glocke. Und so ist er entstanden und man sagte dies sei ein אֶבֶן תְּקוּמָה.
Nach der Meinung von Elijah Rabba (Elijah ben Benjamin Schapira, 17. Jh. ז"ל) benutzt man als Gegengewicht eine beliebige Sache, nur muss das Gegengewicht haargenau dem Stein gleichen. Zuletzt schreibt Taz (David ben Samuel Ha-Levi, 17. Jh.ז"ל), dass אֶבֶן תְּקוּמָה in Jiddisch als Schußstern bezeichnet wird ohne zu erklären was genau das ist.

Wir halten fest: Eine Frau darf diesen Stein oder eine gleichwiegende Sache am Schabbat tragen (als Kette oder in der Tasche). Die heilende Eigenschaft des Steins verhindert eine Fehlgeburt. Die Kommentatoren sind sich darüber nicht einig von welchem Stein die Rede hier ist.

Sprach der Talmud wirklich vom Schußstern oder dem klappernden Stein? Was der Talmud unter אֶבֶן תְּקוּמָה verstand werde ich im zweiten Teil besprechen. Ich gehe von der Blüte zur Wurzel. Schauen wir uns zunächst eine Erklärung an.


Der Adlerstein 




Folgen wir dem Hinweis des Maharaschal. Er schrieb:
Ich sah einen Stein mit einem Hohlraum, in dem ein kleiner Stein sich befand wie der Klöppel einer Glocke. Und so ist er entstanden und man sagte dies sei ein אֶבֶן תְּקוּמָה. 
Gesucht wird ein Stein in dessen Hohlraum ein Stein sich befindet. Zusätzlich muss er die Fehlgeburt verhindern, genau wie der even tekuma. Eine Suche auf Google Books führt zu folgender Auswahl. Der französische Apotheker Peter Pomet schrieb 1717 in seinem Buch Der aufrichtige Materialist und Specerey-Händler:
„Adlersteine werden weiße Steine genannt, welche in der Mitte hohl sind, und einen steinigen oder tonigen Kern beschließen, der ein Geräusch macht, wenn man ihn schüttelt … der Adlerstein einer Frau, die zur Geburt arbeitet, ans dicke Bein [Schenkel] gebunden befördere die Geburt, hingegen Mißfall verhüte, wenn man ihn ihr an den Arm gebunden hat…Alle sind von Natur zusammen geküttet [fest verbunden]“

Titelseite von Pomets „Der Aufrichtige Materialist“ von 1717
Das passt sehr gut zur Beschreibung des Maharaschals. Pomet nennt diesen Stein Adlerstein, er ist hohl, macht Geräusche, verhütet die Fehlgeburt und ist so in der Natur anzutreffen. Diese Eigenschaften besitzt auch der Stein, den Maharaschal beschreibt. Pomet gibt uns eine Anleitung wie der Stein benutzt wurde. Am linken Schenkel gebunden verhindert er die Fehlgeburt. An den Arm gebunden schützt es Frühgeburt. Wir haben also den Namen. Dass dieser Stein tatsächlich bei Menschen Anwendung fand erzählt uns der Schweizer Jacob Rüff 1588 in seinem Hebammenbuch:
„Dann hat er [der Adlerstein] ein andern kleinen Stein in ihm, den hört man klopfen, so man ihn schüttelt. Er wird bei dieser Zeit bei reichen Weibern und Fürstinnen hoch gehalten, für das früh und bald genesen … Ferner der Adlerstein, wie du weißt, gebraucht und angebunden an die linke Hüfte.“
Titelseite von Jacob Rüffs „Hebammenbuch“

Warum nur bei reichen Frauen? Der deutsche Arzt Urban Brückmann machte diesen Unterschied nicht als er 1773 über die Benutzung des Adlersteins bei den Frauen in Oldenburg berichtete.

Es gibt keinen Zweifel, Maharaschal meinte den Adlerstein, der vom Mittelalter bis in die Moderne gebraucht wurde. Doch woher hat er seinen Namen und seit wann wird er im Volk benutzt? Es gibt kein besseres Buch als das Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, um uns ein Bild davon zu machen was dieser Adlerstein sei.

Dort erfahren wir, Adlersteine (lat. aetites, griech. ἀετίτης, von ἀετός Adler) heißen auch Klappersteine, man findet sie an Bergen oder an Flüssen, sie sind rund oder oval von der Größe einer Nuss bis zu der eines Kindskopfes. Sie bestehen aus Toneisenstein, das sind versteinerte Lebewesen, also Fossilien. Diese Fossilien sind versteinerte Schwämme. Im Inneren haben sie einen Hohlraum, in dem abgelöste Steinchen eingeschlossen sind. Sie klappern wenn man den Stein schüttelt. Dann werden wir auf Plinius verwiesen und dort schauen wir sofort und ohne Umwege nach.

Plinius 

 
Plinius (1. Jh.) schreibt in seiner monumentalen Enzyklopädie Naturgeschichte in 37 Büchern, im zehnten Buch Abschnitt 12 , im dreißigsten Buch 130 und im sechsunddreißigsten Buch 149.
„Von den drei ersten Adlerarten … wird in das Nest der Adlerstein eingebaut, den einige auch gagites nannten; er ist zu vielen Heilmitteln nützlich und verliert nichts durch Feuer. Dieser Stein ist gleichsam schwanger, und wenn man ihn schüttelt, lässt er, wie im Mutterleib, einen anderen hören. Aber diese Heilwirkung haben nur Adlersteine, die unmittelbar dem Nest entnommen sind. Der Adlerstein, den man im Nest des Adlers findet, schützt die Leibesfrucht gegen alle Gefahren einer Fehlgeburt. Ohne diese Steine können die Adler keinen Nachwuchs bekommen. Wenn man Adlersteine schwangeren Frauen … anbindet, halten sie die Leibesfrucht fest; sie dürfen erst bei der Geburt entfernt werden, sonst gibt es einen Gebärmuttervorfall.“
Die erste Seite der aller ersten Druckausgabe der Naturgeschichte von 1469 in Venedig

Der eingeschlossene und bewegliche Stein erinnert an den Fötus im Mutterleib. Die Ähnlichkeit zwischen Stein und Mutterleib führte zum Glauben an die Kraft gegen Fehlgeburt, die ihm zugesprochen wird. Aber wie kommt Plinius auf die Idee, dass ohne Adlersteine Adler keine Babys zeugen können? Ich habe darauf keine Antwort. Die Tatsache, dass der Adlerstein nur dann wirkt, wenn man ihn aus dem Nest entnimmt, erwähnen die mittelalterlichen Quellen nicht. Dafür erwähnen sie den Gebärmuttervorfall; die Kraft des Steines sei so groß, dass er bei der Geburt weggenommen werden muss, da er die Gebärmutter herausziehe. Wie dem auch sei; der Adlerstein hat seinen Namen von den Adlern, die den Stein zum Nest tragen. Plinius scheint also die Quelle zu sein für Alle, die über den Adlerstein schrieben.

Einige Adlerstein


Plinius Werk Naturgeschichte wurde in der Antike und im ganzen europäischen Mittelalter ununterbrochen rezipiert. Sie war eine Fundgrube für Wissenschaftler, Künstler, Dichter, Alchemisten, Kabbalisten, Regisseure und Autoren;. sie umfasst alles von A, Astronomie bis Z, Zoologie. Über 200 Handschriften sind erhalten, das älteste vollständige Manuskript ist aus dem 10. Jh. Deshalb soll uns nicht wundern, dass zwischen dem Römer Plinius und dem Schweizer Jacob Rüff 1700 Jahre liegen. Jacob Rüff schrieb von Plinius ab, genau wie Unzählige vor ihm; so hielt sich Plinius Bericht vom Adlerstein im kulturellen Gedächtnis.

Urban Brückmann berichtete über die Verwendung des Adlersteins noch 1773. Menschen haben ihn tatsächlich gebraucht. Der Volksglaube hat die Tradition vom Adlerstein erhalten. Doch wir können nicht mit Sicherheit sagen ob der Adlerstein unabhängig von Plinius im Volksleben lebte. Ich denke nicht. 1839 wunderte sich der Krünitz über die Wiederholung der Legende, die Adler trugen die Steine ins Nest, von sämtlichen Schriftstellern bis ins 18. Jh. hinein. Er merkte an: „Man scheint sich daher sehr wenig um die Wahrheit dieser Angabe bekümmert zu haben.“ Ferner erwähnt er wie Jemand sich die Mühe machte und der Sache nachgegangen ist aber in den Nestern keine Steine fand. Also konnte sich die Legende durch Abschreiben lange halten, weil niemand sie widerlegen konnte. Adler bevorzugen schwer zugängliche Gebiete und nisten in Felswänden schroffer Gebirgstäler, bis 1900 m hoch. Wer waghalsig ist und das Nest erreicht, muss mit zwei Adlern rechnen, die nicht lange nachgrübeln was ein menschliches Wesen bewegt hat so hoch zu steigen. Adler können sogar Hirsche töten (diese Tatsache erwähnt auch Plinius), da wird ein Adlerstein-Forscher kein schwerer Gegner sein. Mit anderen Worten, im Mittelalter haben Menschen Adler selten zu Gesicht bekommen und noch seltener ihr Nest. Außerdem, überall wo der Adlerstein erwähnt wird trägt er zwei wesentliche Eigenschaften. Er verhindert Fehlgeburt und Adler tragen ihn zum Nest. Keine andere Erklärung und Verwendung wird überliefert, man hätte ihn auch Klapperstein nennen können. Und tatsächlich ist es auch sein Name. Doch auch Plinius erwähnt das Klappern, auch ist es ein augenscheinliches Merkmal. Wegen Plinius ununterbrochener Beliebtheit bei Mönchen, Ärzten, Apothekern und Heilern denke ich, dass der mittelalterliche Volksbrauch sich aus Plinius speiste. Welche Bedeutung diese Frage besitzt für den Gebrauch des Adlersteines durch die Juden, versuche ich gleich zu zeigen.



Maharaschal und Maharaz


Juden wie auch Christen und Muslime benutzten im Mittelalter Edelsteine als Heilmittel. Abraham Ofir Shemesh bringt in seinem Buch חומרי מרפא בספרות היהודית Belege wie rabbinische Autoritäten in ihren Werken Edelsteine als Heilmittel gebrauchten und empfahlen. Responsen behandelten Fragen ob man Steine bei Nichtjuden kaufen dürfe, ob man durch das Zerkleinern der Edelsteine Schabbat entweihen dürfe und ob man Segensprüche bei der Einnahme des Pulvers sage. Wurde auch der Adlerstein von Juden benutzt? Zweifellos. Wann zog er in jüdische Kreise ein? Die erste literarische Gleichsetzung des אֶבֶן תְּקוּמָה mit dem Adlerstein findet sich in Maharaschals Kommentar Namens עמודי שלמה (Salomons Säulen), gedruckt 1600 in Basel und nicht mehr zur Lebzeiten des Autors. Diesen Kommentar schrieb er zum Buch ספר מצוות גדול SeMaG von Moses aus Coucy (13. Jh.). Das ספר מצוות גדול ist organisiert nach Geboten und Verboten und hat Maimonides Mischne Torah zur Grundlage. Bis ins 16. Jh. war es eine Art Schulchan Aruch und genoss große Beliebtheit in der jüdischen Welt, sodass es mehrere Kommentare erhielt und eines der ersten gedruckten jüdischen Bücher war. Das erklärt warum wir so viele wunderschöne Manuskripte dieses Buches besitzen.
Anfang des Buches SeMaG. Ein Manuskript aus dem 14. Jh. aus Straßburg

Maharaschal erwähnt in seinem Kommentar den אֶבֶן תְּקוּמָה nur beiläufig und schreibt nur das, was der Talmud schreibt, von Frauen gegen Fehlgeburt getragen. Doch in Klammern lesen wir folgenden Zusatz:
ואני המעתיק מצאתי בביאורי מהר״ז שווינברט וז״ל אבן תקומה אני ריאתי אבן קצץ שהיה בתוכו חלול ואבן קטן בתוכו כענבל בזוג וכן נברא ואמרו שהוא אבן תקומה
Ich, der Drucker/Kopist fand in der Erklärung von Maharaz Schweinfurt: Ich sah einen Stein mit einem Hohlraum, in dem ein kleiner Stein sich befand wie der Klöppel einer Glocke. Und so ist er entstanden und man sagte dies sei ein אֶבֶן תְּקוּמָה.
Der Zusatz in Maharaschals erster Druckausgabe des עמודי שלמה, Basel 1600.

Das ist recht sonderbar. Ein anderer Autor hat Maharaschals Text mit diesem Zusatz ergänzt und ihn mit Klammern umgrenzt. Diesen Zusatz gibt es in Maharaschals Manuskript nicht. Dieser Unbekannte nennt sich המעתיק, der Drucker. Er schrieb zahlreiche Anmerkungen zu Maharaschals Werk, meistens durch Fußnoten und nicht durch Klammern im Text. Wer ist dieser Autor? Das Werk wurde von dem Schweizer Konrad Waldkirch (1549-1616) in Basel gedruckt. Waldkirch war der Schwiegersohn des erfolgreichen Druckers Pietro Perna, dessen Druckerei er erbte. Perna druckte Bücher über Naturwissenschaft, Alchemie und Magie. Ich weiß nicht ob er den Plinius druckte aber er druckte die Werke Isidors von Sevilla (560-636). Dieser christliche Heilige war Erzbischof von Sevilla, er schrieb Bücher über Geschichte, Grammatik, Theologie und Wissenschaft. Sein Hauptwerk ist die Etymologiae, eine Enzyklopädie über das gesamte Wissen der Zeit von der Spätantike bis zum Frühmittelalter. Die Nachwelt schätzte die Etymologiae sehr, davon zeugen 1000 Manuskripte, die wir von diesem Werk kennen. Isidor war nicht nur ein Kompilator aber er war vor allem ein Kompilator; er verband Textausschnitte aus anderen Schriften zur einer Zusammenstellung von Wissen. Diese Zusammenstellung von Textausschnitten geschah unwissenschaftlich, ohne Prüfung des Geschriebenen; diese Methode nennt man auch Abschreiben. In der Spätantike und im Mittelalter wurde so Wissen weitergegeben. Für Isidors Werk spielte die allumfassende Naturgeschichte des Plinius eine wesentliche Rolle. Plinius' Bericht über den Adlerstein schrieb Isidor wörtlich ab (Buch 16 Kapitel 4.22) und festigte das Wissen vom Adlerstein in der europäischen Kulturgeschichte.

Titelblatt Isidor's Werke aus der Druckerei von Perna. 1577, Basel
Waldkirch kannte die Werke Isidors von Sevilla und damit den Adlerstein. Hat er diesen Zusatz geschrieben? Das ist eher unwahrscheinlich. Er war bestimmt nicht daran interessiert der jüdischen Welt mitzuteilen was er vom אֶבֶן תְּקוּמָה halte, nicht nur wegen mangelnder Hebräischkenntnis. Maharaschals Kommentar war für ihn ein Buch mit sieben Siegeln. Den Drucker können wir ausschließen. Das Wort המעתיק kann auch Kopist bedeuten; Jemand, der eine Kopie des Textes anfertigt für das Setzten des Textes. Das Vorwort zum עמודי שלמה schrieb Rabbi Elijah ben Moses Loanz ז"ל (רבי אליהו בעל שם מלואנץ), er ist der Urheber dieses Zusatzes. Er wurde in Frankfurt geboren, sein Lehrer war der Maharal von Prag ז"ל. Loanz war Rosch Jeschiwa in Worms. Er war ein bekannter Kabbalist und Amuletten-Schreiber, ein Meister seines Fachs. In Basel ließ er einige seiner Werke drucken. Der Zusatz in Maharaschals Werk ging seiner Feder hervor. Wer Amulette schrieb und sich mit Mystik beschäftigte, dem durfte der Adlerstein nicht unbekannt gewesen sein. Außerdem macht er auch halachische Anmerkungen; für Waldkirch eine fremde Welt.

Maharaschals Manuskript. Der Zusatz der gedruckten Ausgabe ist hier nicht vorhanden (3. Teile von oben).16. Jh,

Da ist noch etwas. Rabbi Loanz schreibt in diesem Zusatz, die Erklärung, der אֶבֶן תְּקוּמָה sei der Adlerstein, stamme überhaupt nicht von ihm. Sondern gesehen habe er es in einem Buch und möchte dem Leser diese Erkenntnis mitteilen. Das Buch worauf er sich bezieht ist ein Kommentar von מהר״ז, Rabbi Jehuda ben Nathan Sack ז"ל. Er war Rabbiner in Schweinfurt und später in Prag, wo er 1550 starb. Sein Kommentar zum ספר מצוות גדול wurde zum ersten Mal und unvollständig 2003 gedruckt. Ich habe in ein Manuskript seines Kommentars reingeschaut und tatsächlich findet sich dort der von R. Loanz zitierte Satz.

Rabbi Jehudas Sacks Erwähnung des Adlersteins. Die erste Gleichsetzung des אֶבֶן תְּקוּמָה mit dem Adlerstein. 16. Jh. Hamburg.

Da ist noch etwas. Schauen wir uns den Kommentar von R. Sack genauer an. Er beschreibt wie er einen hohlen Stein sah und dann: „ואמרו שהוא אבן תקומה“, „sie sagten/man sagte dies sei der אֶבֶן תְּקוּמָה“. Wer sagte es ihm? In welcher Situation sah er den Adlerstein? Ob er ihn in Schweinfurt sah oder in Frankfurt, wo er studierte, das kann ich nicht rekonstruieren. Ich vermute Rabbi Sack bewegte sich in nichtjüdischen Kreisen, wo er den Stein sah. Er sprach mit Ärzten oder Mönchen, die ihm vom Adlerstein erzählten und er verwies auf einen ähnlichen Stein im Talmud. Sein Buch wurde nicht gedruckt aber diese kurze Notiz gelangte in Druck durch Rabbi Luanz, der es im Maharaschals Kommentar einfügte und druckte. Seitdem ist der Adlerstein in die jüdische Tradition eingegangen.

Und heute?

1500 Jahre nach Plinius Bericht wird der Adlerstein zur jüdischen Tradition. Mich belustigt diese Tatsache etwas. Hätte Plinius jemals damit gerechnet?
Nach der Drucklegung von Maharaschals עמודי שלמה in 1600 wurde dieser Zusatz des Druckers über 400 Jahre lang von Rabbinern wiederholt zitiert, sodass sogar Rav Josef Eliaschiv ז"ל den Adlerstein als אֶבֶן תְּקוּמָה empfiehlt im Gegensatz zu Rav Schlomo Zalman Auerbach ז"ל, der einen ärztliche Untersuchung bevorzugt. Abraham Ofir Shemesh veröffentlichte diese Straßenanzeige:


Hier steht: Große Rabbiner empfehlen. Empfehlen mit dem אֶבֶן תְּקוּמָה zu gehen gegen Fehlgeburt. R. Eliashiv, R. Kanievsky, R. Halberstamm. Stein im Stein, usw.

Da es mir etwas peinlich war ließ ich meine Frau dort anrufen. Die Verkäuferin wollte 70 bis 300$ für den Stein (auf ebay gibt's den für 25€). Sie sagte aber, dass er nur für Frauen geeignet sei, die bereits eine Fehlgeburt hatten. Für Frauen, die eine normale Geburt erwarten empfahl sie einen Rubin. Wir sehen, der Adlerstein lebt in der jüdischen Kultur fort.

Im nächsten Teil werde ich der Frage nachgehen, ob der Adlerstein wirklich der Stein sei, von dem der Talmud schrieb.