Sonntag, 25. Februar 2018

Das Fettschwanzschaf in der Mischna

Das Buch Mischna Bahira ist ein ausgezeichnetes Werkzeug für das Studium der Mischna. Viele Zeichnungen und Erläuterungen helfen den Text zu verstehen. In der Mischna Schabbat bin ich auf folgendes Bild gestoßen:


Die Mischna handelt von Ausrüstungen und Gegenständen mit denen die Tiere am Schabbat nicht ausgeführt werden dürfen. Dort steht (5:4):
Warum sollte man Schafen einen Wagen unter den Schwanz binden? Die Kommentatoren schreiben:
Der Wagen beschützt den Schwanz, damit er nicht gegen Steine schlägt. Das Tier darf damit nicht rausgehen weil der Wagen abfallen kann, worauf man den Wagen tragen würde.
Die Mischna bespricht immer praktische Beispiele, also muss es dran sein.
Als ich neulich Herodot las, fand ich folgendes.
Herodot schreibt im 3. Buch 113:
Zwei Merkwürdige Arten Schafe, die es nirgends sonst gibt, findet man in Arabien. Die eine hat lange Schwänze, mindestens drei Ellen lang. Ließe man das zu, dass das Schaf den Schwanz nachzieht, so würde es ihn an der Erde wund reiben. Alle Hirten aber verstehen sich soweit auf das Zimmerhandwerk, dass sie kleine Wagen zimmern und sie unter die Schwänze binden. Jedes Tier hat solch einen Wagen unter seinem Schwanz. Die andere Art hat breite Schwänze, die wohl eine Elle breit sind.
In den Erläuterungen schreibt Herr Haussig, dass Herodot sich auf das Fettschwanzschaf bezieht. Also fand ich folgendes heraus:
Das Fettschwanzschaf kommt vor in Nordafrika, Ägypten und Arabien. Das Fett im Schwanz dient als Nahrungsspeicher wie beim Kamel der Höcker. Das Fettschwanzschaf ist ein von Menschen gezüchtetes Tier, denn alle wilden Schafe haben einen dünnen Schwanz. Es wurde absichtlich so gezüchtet aus folgendem Grund. Das Tier kann das Fett nur in Flüssigkeit verstoffwechseln. Die Körpertemperatur des Tieres ist höher als die Außentemperatur. Wenn das Tier das Fett nah am Körper verstoffwechselt, wird das Fett härter. Verstoffwechselt es aber im Schwanz, bleibt das Fett weicher und hat einen geringeren Schmelzpunkt beim Kochen.
Hartes Fett wird im Körper in Klumpen gespeichert und kann in großen Mengen entfernt werden. Im Gegensatz ist weiches Fett überall im Körper verstreut. Deshalb war es für die Züchter nützlich das weiche Fett an einem Ort zu konzentrieren. In arabischen, iranischen und türkischen Kochbüchern aus dem Mitteltaler finden sich zahlreiche Rezepte mit Fett aus dem Schwanz. Auch heutzutage wird es in diesen Ländern verwendet.
Übrigens bedeutet das hebr. Wort אַלְיָה (alija) Fettschwanz.
Aus Wikimedia. A New History of Ethiopia (1684).

Die Kreuzigung von Haman und Purim

Michelangelos Haman

Michelangelo, der große Meister der Bildhauer und Malkunst, malte die Decke der Sixtinischen Kapelle aus. Die Sixtinische Kapelle ist der Ort, wo die Wahl des Papstes stattfindet. Michelangelo arbeitet daran von 1508-12 und malte 24 Tage lang am Gemälde von Haman.
Beim Betrachten des Gemäldes scheint das einzige richtige Detail Hamans unbeschnittener Zebedäus zu sein. Was ist mit dem Rest? Warum hängt Haman gekreuzigt am Kreuz? Wir lesen doch in Esther 5:14 wie Hamans liebenswürdige Frau Seresch Haman den Rat gibt seinen Erzfeind Mordechai loszuwerden, indem er ihn an einen Pfahl (עץ) hängen soll. Die Sache nimmt einen anderen Lauf, Haman wird selbst Opfer seines bösen Plans und endet hängend am Pfahl (8:7). Also plante Haman Mordechai auf einem Stück Holz aufzuspießen.
Hat Michelangelo etwas mißverstanden? Nein hat er nicht. So wie sein gehörnter Moses, beruht auch die Kreuzigung von Haman auf der lateinische Bibelübersetzung , die Vulgata. Dort steht nämlich, dass Haman ein Kreuz (crux) aufstellte und selbst daran gehängt wurde (5:14, 8:7)

Septuaginta

Jetzt stellt sich die Frage wie die Vulgata, bzw. der Übersetzer Hieronymus, darauf kam, Pfahl mit Kreuz zu übersetzen? Die Antwort ist einfach. Hieronymus benutzte die Septuaginta, also die griechische Tora Übersetzung aus dem 3. Jh. v.d.Z. (wobei Esther etwas später übersetzt wurde). In der Septuaginta wird die Kreuzigung von Haman im folgendem Kontext erwähnt. Die Szene ist dramatisch und zugleich witzig. Die Königin Esther erzählt dem König Achaschwerosch im Beisein von Haman über dessen Plan die Juden umzubringen. Haman hat bis jetzt nicht gewusst, dass Esther Jüdin ist. Der König Achaschwerosch wird sauer und geht heraus, um sich abzukühlen. Während Esther und Haman allein sind, fällt Haman ihr zu Füßen und winselt um sein Leben. Der König kommt wieder und mißversteht die Pose. Er denkt Haman möchte die Königin verführen. Zufällig war ein Eunuch des Königs zugegen und ihm fiel ein: war da nicht ein Pfahl den Haman errichtet hat? Der König hat einen Gedankenblitz und sagt (7:9):
εἶπεν δὲ ὁ βασιλεύς σταυρωθήτω ἐπ᾽ αὐτοῦ
Er soll daran gekreuzigt werden
Haman wird gekreuzigt, die Juden werden gerettet und Mordechai und Esther sind die Helden.
Im hebräischen Text steht nichts von Kreuzigung, sondern von Hängen (=תלה). Warum haben die Übersetzter der Septuaginta das Hebr. תלה (=hängen) mit σταυρόω (=kreuzigen) übersetzt?

Herodot

Den historischen Hintergrund gibt uns Herodot. Er berichtet wie der Perser Darius (דָּרְיָוֶשׁ) an die 3000 Babylonier ans Kreuz nagelte (3.159). Die Kreuzigung war eine übliche Art der Hinrichtung bei den Persern. Das bestätigt auch Josephus in seiner Nacherzählung der Esther Geschichte (Ant. 21:268) Also wollten die Übersetzer von Esther diese persische Art der Hinrichtung auf die Esther Geschichte übertragen. Jetzt könnte man denken, dass diese Interpretation nur ein Einfall der Septuaginta sei und dass sich keine Spur davon im traditionellen Judentum finde. Doch man wird sehr überrascht sein.

Targum Scheni

Der 2. Targum zu Esther (Targum Scheni) ist eine Übersetzung ins Aramäische und zugleich ein Midrasch. Der Targum bringt viele Geschichten und Erweiterungen und macht das Buch um etwa 50% länger. Er schreibt zu Vers 8:7 folgendes:
הא ביתא דהמן יהבית לאסתר ויתיה צליבו על צליבא על דפשׁיט ידיה ביהודאי
Siehe, das Haus Hamans habe ich Esther gegeben, und ihn kreuzigte man ans Kreuz, weil er seine Hand gegen die Juden ausgestreckt hat.
Der Targum sieht Hamans Hinrichtung als Kreuzigung. Schauen wir uns mal die Wörter Genauer an. Der Targum spricht von צליבו על צליבא. Im modernen Hebräisch bedeutet צלָב Kreuz. Hat es auch die gleiche Bedeutung in der Sprache der חַזַ"ל? Nach den Mitarbeitern von Artscroll, nein. Sie übersetzen תלה und צלב immer als hängen. Doch kann das sein? Schauen wir uns einige Beispiele an wo das Wort צלָב vorkommt und versuchen aus dem Kontext die Bedeutung abzuleiten.

Beispiel Get

Eine Ehe wird nur durch Scheidung oder den Tod des Gatten aufgelöst. Der Gatte vollzieht die Scheidung indem er seiner Frau einen Scheidebrief überreicht (גט Get). Wenn der Gatte die Scheidung verweigert, kann die Frau nicht weiter heiraten. Dieser Umstand der Frau heißt agunah (עֲגוּנָה=gebunden). Das gilt auch, wenn der Mann “nur mal eben Zigaretten holen” geht und nicht wieder kommt oder wenn er in den Krieg zieht und verschollen wird. Stirbt der Mann, wird die Frau frei und kann wieder heiraten. Das geht aber nur, wenn es einen Zeugen gibt, der mit Klarheit den Tod des Mannes bezeugen kann.
Im Talmud Gittin 70b:
ראוהו מגויד או צלוב על הצליבה ורמז ואמר כתבו גט לאשתי הרי אלו יכתבו ויתנו
Wenn man einen zerschnittenen oder am Kreuz geschlagenen sieht und er durch Zeichen andeutet, dass man seiner Frau einen Scheidebrief schreibe, dann schreibe man ihn.
Man stellt fest: Der Mann ist nicht sofort tot, er kann Zeichen geben. Wenn צלב hier hängen hieße und nicht kreuzigen, dann wäre diese Stelle nicht verständlich. Denn ein gehängter kann keine Zeichen geben und außerdem bräuchte man sie auch nicht, weil der Tod in kürze eingetroffen wäre. Aber hier scheint die Person noch eine weile zu leben. Hätten die Zeugen ihn nur am Kreuz hängen sehen, wäre es kein eindeutiger Beweis für den Tod des Mannes.
Das sagt auch die Mischna in Jebamot 16:3 so:
אין מעידין אלא עד שתצא נפשו ואפילו ראוהו מגוייד וצלוב
Man darf nicht bezeugen bis seine Seele ausgegangen ist, selbst wenn man ihn zerschnitten oder gekreuzigt hat.
Der Zeuge muss also warten bis der Mann stirbt. Wartet er nicht ab, wird seine Zeugenaussage bestritten und die Frau kann nicht geschieden werden. Aber warum? Warum ist die Beobachtung der Kreuzigung kein eindeutiger Beweis für den Tod? Das verrät der Jeruschalmi zur Stelle:
וצלוב על הצלוב אומר אני מטרונא עברה עליו ופדאתו
Bezüglich des am Kreuz gekreuzigten — Ich sage, eine Frau kam vorbei und befreite ihn.
Hieraus ergibt sich, dass es für den Gekreuzigten noch eine Überlebenschance gibt. Er kann bei einer Nacht und Nebel Aktion von einer Frau abgehängt werden. Deshalb ist es nötig festzustellen, dass der Mann tatsächlich tot ist. Bedeutete hier צלב hängen, wie hätte er Überleben können? Übrigens fügt der Jeruschalmi hinzu, dass folgende Beobachtungen nicht unmittelbar den Tod bedeuten: Jemand wird in eine Löwenhöhle geworfen, denn ein Wunder könnte geschehen wie für Daniel. Jemand wird in einen glühenden Ofen geworfen, denn ein Wunder könnte geschehen wie für Mischael, Hananiah und Azariah. Jemand fällt in eine Grube voll von Schlangen, denn er könnte ein Schlangenbeschwörer sein. Parallel dazu legt der Midrasch Esther Rabba 9:2 folgende Worte in den Mund von Seresch, der Frau von Haman:
אמרה לו אשתו אדם זה שאתה שואל עליו אם מזרע היהודים הוא לא תוכל לו אם לא תבא עליו בחכמה במה שלא ניסה אחד מבני אומתו, שאם תפילו לכבשן האש כבר הוצלו חנניה וחביריו, ואם לגוב אריות כבר עלה דניאל מתוכו, ואם תאסרהו בבית האסורים כבר יצא יוסף מתוכו, ואם במולי תסיק תחתיו כבר התחנן מנשה ונעתר לו הקדוש ברוך הוא ונפק מיניה, ואם במדברא תגלוניה כבר פרו ורבו אבותיו במדבר וכמה נסיונות נתנסו ובכולן עמדו וניצלו, ואם עיניו תעוור הרי שמשון דקטל כמה וכמה נפשתא מפלשתאי כד עויר, אלא צלוב יתיה על צליבא דלא אשכחינן חד מן עמוי דאשתזיב מניה
Seine Frau sagte ihm: Dieser Mensch, den du töten willst (Mordechai), ist er Jude, wirst du ihn nicht bezwingen können, wenn du nicht mit List handelst, womit noch keiner seiner Väter geprüft wurde. Wenn du ihn in einen glühenden Ofen wirfst, Hananiah und seine Freunde wurden daraus errettet. Wenn du ihn in eine Löwengrube wirfst, Daniel hat es überlebt. Steckst du ihn ins Gefängnis, Josef wurde daraus befreit. Setzt du ihn auf glühendes Eisen, Menasche hat zu Gott gebetet und wurde befreit. Verbannst du ihn in die Wüste, seine Vorfahren waren fruchtbar und vermehrten sich in der Wüste. Blendest du seine Augen, Schimschon war wurde geblendet und hat viele Philister getötet. Kreuzige ihn ans Kreuz (צלוב יתיה על צליבא), denn niemand aus seinem Volk hat es bisher überlebt. (ob das eine Anspielung auf etwas ist?)
Das ist ein sehr schöner Midrasch, der die Schicksalsschläge der Helden aus dem Tanach zusammenfasst. Aus den genannten Beispielen ist die Bedeutung von צלב als Kreuz ersichtlich.
Noch zwei Beispiele möchte ich bringen, um zu beweisen, dass צלב Kreuz bedeutet.

Beispiel Chagall und Midrasch

Was ist von diesem Bild von Marc Chagall zu Halten?
Das ist eine Szene aus der Akeda (Gen. 22:1-19). Der Engel erscheint und verbietet Abraham Isaak zu töten. Doch was ist da im Hintergrund? (Der rote Kreis gehört nicht zum Bild) Ist das etwa ein Kreuz? Und ein Mann der das Kreuz trägt? Tatsächlich. Ich wette, dass alle Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen nur eines hier erkennen. Denn bestimmt haben sie niemals von diesem Midrasch gehört.
ויקח אברהם את עצי העולה וישם על יצחק בנו כזה שטוען צלובו בכתפו
Abraham nahm das Holz für das Ganzopfers und lud es auf seinen Sohn Isaak, wie Jemand, der sein Kreuz auf seiner Schulter trägt.
Und wieder begegnet uns hier das Wort צלב. Die Autoren des Midrasch haben zur Zeit der Römer gelebt, sie wussten, dass der Verurteilte sein Kreuz selbst zum Ort seiner Hinrichtung trägt. (Das berichtet auch Plutarch in Mor.554) Deshalb übertrugen sie es auf Isaak. Als ob Abraham Isaak mit dem Kreuz andeuten wollte, dass er das Opfer sei und bald sterben werde. (Sogar Artscoll muss in einer Fußnote zugeben, dass es hier um Kreuzigung handeln könnte.)

Beispiel Esther Rabba

Kehren wir zu Esther zurück. Wenn wir uns von der Bedeutung von צלב für Kreuz noch nicht überzeugt haben, wird der Midrasch Esther Rabba 10:5 Licht uns Dunkle bringen. Haman beschwert sich über sein Unglück wie Mordechai immer wieder über ihn triumphiert:
אמש אני הייתי עסיק להתקין ליה צליבא והקב"ה מתקין ליה כלילא, אני הייתי מתקן לך חבלים ומסמרים והקב"ה מתקן לך לבוש מלכות, אנא בעינא מן מלכא למיצליב יתך על צליבא והוא אמר לי למירכב לך על סוסיא.
Gestern bereitete ich für ihn (Mordechai) das Kreuz (צליבא) vor, aber Gott hat für ihn die Krone vorbereitet. Ich bereitete Seile und Nägel (חבלים ומסמרים), aber Gott hat für ihn die Königskleidung bereitet. Ich ging zum König um die Erlaubnis seiner Kreuzigung zu bitten, aber er befahl mir ihn auf das Pferd zu setzten.
Hamans Absicht war also die Kreuzigung, da er Seile und Nägel bereitstellte, bis sein Plan vereitelt wurde. Und wohin soll das jetzt alles führen? Wenn wir jetzt wissen dass צלב Kreuz bedeutet, können wir das folgende merkwürdige Gesetz verstehen.

Jetzt wird es interessant.

Nachdem Kaiser Konstantin (3. Jh.) die Kreuzigung im römischen Reich abgeschafft hat, ist das Kreuz vom Hinrichtungswerkzeug zum religiösen Symbol der Christen geworden (Meiner Meinung nach eine makabere Vorstellung aber Mosambik hat ja auch eine Kalaschnikow in der Fahne) Am 29. Mai 408 wurde in Konstantinopel ein Gesetz erlassen. Das Gesetz verbietet den Brauch ein Bildnis von Haman zu verbrennen, das an einem Kreuz hängt. Dieser Brauch wurden von den Christen als Verhöhnung ihres Glaubens empfunden.
Iudaeos quodam festivitatis suae sollemni Aman ad poenae quondam recordationem incendere et sanctae crucis adsimulatam speciem in contemptum Christianae fidei sacrilega mente exurere provinciarum rectores prohibeant, ne iocis suis fidei nostrae signum inmisceant, sed ritus suos citra contemptum Christianae legis retineant, amissuri sine dubio permissa hactenus, nisi ab temperaverint.
Die Gouverneure der Provinzen sollen den Juden verbieten Haman anzuzünden, in einer gewissen alljährlichen Feier, in Erinnerung an seine Strafe und das Verbrennen der Gestalt, die dem heiligen Kreuz nachgebildet ist, mit frevelhafter Absicht und in Verachtung des christlichen Glaubens. Damit sie nicht das Zeichen unseres Glaubens mit ihrem Spaß verbinden und sie sollen ihren Brauch in Schranken halten das christliche Gesetz zu verspotten. Denn sie werden das verlieren, was ihnen bisher gestattet wurde, wenn sie sich nicht mäßigen.
Also was haben wir hier? Die Juden in Konstantinopel im 5. Jh. hängen Haman ans Kreuz und verbrennen ihn am Purim? Das scheint also ein alter Brauch zu sein. Nach 1-2 lechaims unverdünnten 18% prozentigen Weins hat man schon den Unterschied zwischen „verflucht Haman, segnet Mordechai” vergessen (Rava hat auch Rav Zeira im Vollrausch getötet (Megilla 7b)). Was ist der Ursprung dieses Brauchs? Ich denke es ist die Tradition, geschöpft aus den Midraschim, die Hamans Hinrichtung als Kreuzigung verstanden haben. Die Juden haben nicht in frevelhafter Absicht praktiziert und niemand fand daran Anstoß bis das Kreuz zum religiösen Symbol geworden ist. Einen ähnlichen Brauch finden wir in Babylonien, jedoch ohne Kreuz. Hier ist ein Responsum eines Gaons aus Babylon.
מנהג בבבל ובעילם הבחורים עושים צורה בדמות המן ותולין אותה על גגותיהן ד׳ וה׳ ימים וביום הפורים עושין מדורה גדולה ומשליכין אותה הצורה באש
Ein Brauch in Babel und Elam: Die Burschen machen eine Figur von Haman und hängen sie auf ihre Dächer für 4 oder 5 Tage. Am Purim machen sie ein großes Lagerfeuer und werfen diese Figur hinein.
Durch die Jahrhunderte entwickelten sich immer Bräuche Haman zu verspotten. Ich habe auch von einer Jeschiwa in Berlin gehört, wo die Burschen vor Purim eine Haman Puppe auf einen Galgen hingen. Als der Wärter in der Morgendämmerung den Hof betrat und die Schattenrisse einer Person sah, die am Galgen hing, rief er sofort die Polizei. Als es sich jedoch herausstellte, dass es eine Puppe war, haben sie fröhlich miteinander Purim gefeiert.
Übrigens, was viele nicht wissen. Michelangelos gehörnter Moses hat auch eine Quelle im Midrasch. In Midrasch Tehilim zu Psalm 75 heißt es:
עשר קרנות הן שנתן הקדוש ברוך הוא לישראל, קרן אברהם…קרן יצחק…קרן משה, שנאמר כי קרן עור פניו
Es gibt 10 Hörner, die der Ewige Israel gab. Das Horn des Abrahams…das Horn von Isaak…das Horn von Moses, denn es heißt: Die Haut seines Gesichtes hatte Hörner (Ex. 34:29).

Sonntag, 5. Juni 2016

Ein Samowar in der Mischna



Meine Frau ist eine begeisterte Teetrinkerin. Besonders in den kalten Wintermonaten. Auch am Schabbat wollte sie ihrer Leidenschaft nachgehen. Deshalb haben wir uns diesen Wasserkocher besorgt.Bratscher Regina 40
Bratscher Regina 40

Er ist über Schabbat die ganze Zeit an, da man am Schabbat kein Wasser kochen darf.

Problem:
Es ist verboten am Schabbatvorabend ungekochtes Essen auf dem Herd zu lassen, sodass das Essen erst am Schabbat fertigwird. Dieses Verbot ist ein Zaun um die Torah, damit man nicht dazu kommt ein Verbot der Torah zu übertreten. Der Grund ist praktisch. Jemand empfängt Gäste am Schabbat und bemerkt, dass das Essen immer noch nicht fertig ist, er könnte dazu kommen die Flamme aufzudrehen. Dabei würde er 2 Torah Verbote übertreten, Feuer machen und Kochen. Auch wenn man die Flamme vor Schabbat voll aufdrehen würde ist es trotzdem verboten. Denn Sobald man am Schabbat das unfertige Essen auf dem Herd umrührt oder den Topf mit dem Deckel bedeckt, zählt es so, als ob man das Essen gekocht hätte, weil man den Prozess des Kochens beschleunigt.

Es gibt jedoch Ausnahmen bei denen es keine Befürchtung gibt, dass man die Gesetzte von Schabbat übertreten würde, sodass man das Essen am Schabbatvorabend auf der Flamme lassen kann. Wenn das Essen gekocht und fertig zum Auftischen ist, dient die Flamme nur als Wärmehalter. Folglich darf man das fertige Essen am Schabbatvorabend auf der Flamme lassen, es gibt keine Befürchtung, jemand würde die Flamme aufdrehen.

Lösung:
Ungekochtes Essen - Man kann unfertiges Essen auf der Flamme lassen, sodass es am Schabbat gekocht wird, wenn man verhindert, dass jemand am Schabbat die Flamme aufdreht. Heutzutage gibt es 2 Möglichkeiten. Das sog. Blech womit man die Kochplatte bedeckt dient als Erinnerung, dass es Schabbat sei und verboten die Flamme aufzudrehen. Oder man benutzt eine Schabbatplatte. Diese Platte wärmt mit konstanter Flamme, die von einem Blech bedeckt ist, man kann nichts einstellen oder verstellen. Dank diesen 2 Möglichkeiten kann man am Schabbatvorabend unfertiges Essen auf dem Herd oder Platte lassen, damit es am Schabbat gekocht wird.
Gekochtes Essen - Man kann das bereits fertige Essen am Schabbat auch aufwärmen. Wir machen das so, dass wir die Schabbatplatte an eine Zeitschaltuhr anschließen. Wenn wir aus der Synagoge nach Hause kommen geht die Platte an und wir nehmen das Essen aus dem Kühlschrank und stellen es auf die Platte.

Wasser- Bei Wasser ist das nicht so. Wenn gekochtes Wasser abkühlt zählt es so, als ob es in den ungekochten Zustand wieder zurückkehrt. Würde man also kaltes Wasser, oder eine Suppe, auf die Platte stellen, würde man die Gesetzte von Schabbat übertreten. Deshalb ist ein Schabbatkocher ein nützliches Gerät. Es lässt das Wasser über Schabbat nicht abkühlen, sondern hält es immer warm.

Geschichte
Wie war es früher? Wie haben Juden am Schabbat ihr Essen warmgehalten? 

Zur Zeit der Mischna kochte man mithilfe von Kohle. Um das unfertige Essen am Schabbat auf dem Herd zu lassen musste man die Kohle auskehren (גרף) oder die Kohle mit Asche bedecken (קטומה). Das Auskehren würde verhindern, dass man die Kohle anschürt, das Bedecken mit der Asche wäre ein Zeichen zur Erinnerung, dass man die Kohle nicht anschüren darf oder um sie abzukühlen.

Quelle
In der Mischna Schabbat 3,3 werden 2 seltsame Geräte beschrieben, die man nicht zum Kochen verwendete. Sie dienten dazu Speise und Getränke warm zu halten.


מולייר הגרוף שותין ממנו בשבת, אנטיכי אף על פי שהיא גרופה אין שותין ממנו
Ein Miliarium, hat man es ausgekehrt (die Kohle entfernt) darf man daraus am Schabbat trinken, ein Antichi, obwohl man es ausgekehrt hat, darf man daraus nicht trinken.


Was sind das für seltsame Geräte und warum bringt es nichts beim Antichi die Kohle zu entfernen? – Um das zu verstehen müssen wir uns die römischen Geräte zur Warmhaltung von Wasser anschauen.

Auf Altgriechisch heißen diese Geräte „Authepsa“ (αὐθέψης), das bedeutet wörtlich Selbstkocher. Sie sind die Vorgänger vom russischen Samowar (самовар), das auch Selbstkocher bedeutet. Auf Latein wurden sie „miliarium“ genannt.
Diese Selbstkocher sind Metallgefäße aus Eisen oder Kupfer. Sie bestehen aus mehreren Teilen, die man zusammenfügen kann. Hier ein Beispiel aus Pompeji:

Authepsa aus Pompeji

Authepsa aus Pompeji im Durchschnitt

Diese schöne Authepsa hat einen melonenförmigen Körper mit schneckenähnlichen Henkel und einen kegelförmigen Deckel. Der Heizzylinder befindet sich in der Mitte; er steht auf einem Rost. Auf dem Rost sind Löcher für die Luftzufuhr, damit die Kohle schön glüht. Die Löwenpfoten halten das Gerät über dem Boden, damit genügend Sauerstoff durch die Löcher am Rost zirkuliert. Durch die Röhre an der Seite gelangt Wasser in den Flüssigkeitsbehälter. Jetzt erwärmt die heiße Kohle das Wasser im Flüssigkeitsbehälter. Mithilfe des Ventils auf der linken Seite kann man den heißen Dampf und das heiße Wasser ablassen.

Unter den 15 Authepsae, die man bis heute gefunden habt, sind die meisten transportierbar. Man kann sie in die Tasche packen und ein Picknick machen. Für die Römer war eine Authepsa ein sehr luxuriöser Gegenstand, alle gefunden Authepsen sind sehr kunstvoll verziert, fast alle stehen auf Löwenpfoten. Die Römer verwendeten sie in Trinkmählern, um Calda herzustellen, eine Art Glühwein, aber auch Tee.

Authepsa aus Stabiae

Das ist eine stationäre, größere Authepsa. Der Aschenbehälter wird von vier Löwenpfoten getragen. Auf den Löwenpfoten sitzen Sirenen. Auf dem Aschenbehälter befindet sich ein Flüssigkeitsbehälter, auf dem eine Fratze sitzt (ein Mythenwesen?). Der Griff des Deckels ist auch ist einem Kopf verziert. Der halbrunde Zylinder daneben besteht aus einer Doppelwand, auf der ein Wasserhahn in Form eines Löwenkopfes sitzt. Der doppelwandige Zylinder ist mit dem Wasserbehälter verbunden.
Das Gerät funktioniert so: Deckel auf, Wasser rein. Das Wasser fließt durch das Rohr B in den Hohlraum des Zylinders C. Von hier aus kann es durch den Hahn D fließen. In der Mitte des halbrunden Zylinders brennt die Kohle und wärmt das Wasser in der Doppelwand. Der Aschenbehälter wird für die Lagerung von Kohle und Asche benutzt. Solange das Wasser im Flüssigkeitsbehälter auf der gleichen Höhe steht wie der Wasserhahn, fließt heißes Wasser. Jetzt kann man einen Tee machen. Auf den halbrunden Zylinder kann man auch einen Topf mit platzieren, sodass er von der Kohle gewärmt wird.

Ebenfalls aus Pompeji
Im Durchschnitt


Dieses 1m hohes Gerät funktioniert ähnlich wie die bereits erwähnten. Nur das man hier die Kohle durch die Türpforten reinlegt. Dann hängt man von oben einen Kessel mit Speise rein, so kann man es warmhalten.

Fragestellung:
Wenn wir uns wieder die Mischna anschauen, sehen wir, dass man alle diese Geräte benutzten darf, wenn man die Kohle auskehrt oder sie mit Asche bedeckt. Doch das trifft nur auf das Miliarium מולייר zu, was ist mit dem Antichi אנטיכי ? Warum darf man es nicht benutzten, obwohl man die Kohle entfernt hat? Was ist das überhaupt für ein Gerät?

Der Talmud Jeruschalmi 6a beschreibt diese Geräte so:

מולייר הגרוף שותין ממנו בשבת. הא אם אינו גרוף לא. אמר ר' שיין מפני שהגחלים נוגעות בגופו. אמר ר' חנינה בריה דר' הילל מפני שהרוח נכנסת בגופו והגחלים בוערות. אמר רבי יוסי בי רבי בון מפני שהוא עשוי פרקים פרקים הוא מתיירא שמא נתאכל דיבוקו והוא מוסיף מים

Aus einem ausgekehrten Miliarium darf man am Schabbat trinken. Wenn man ihn nicht ausgekehrt hat, dann nicht. Rabbi Schijan sagt: weil die Kohle seinen Körper berührt. Rabbi Hanina der Sohn von Rabbi Hillel sagt, weil der Wind in seinen Körper eindringt und die Kohle anfacht. Rabbi Jose ben Rabbi Abun sagt, weil es aus Teilen gemacht ist, er ist verängstigt, dass der Kleber abgeht, sodass er Wasser hinzufügt. 


אנטיכי אף על פי שגרופה אין שותין ממנה. רבי חנניה רבי יוסי ר' אחא אבא בשם רבי יוחנן מפני שהיא מתחממת מכתליה. רבנן דקיסרין רב הונא בשם רב אם היתה גרופה ופתוחה מותר

Aus einem Antichi, obwohl ausgekehrt, darf man nicht trinken. Rabbi Hanania, Rabbi Josi, Rabbi Acha Abba im Namen von Rabbi Jochanan, weil es von seinen Wänden geheizt wird. Die Rabbiner von Caesarea, Rav Huna im Namen von Rav, wenn es ausgeschürt und offen ist, darf man daraus trinken.

Der Grund dafür, dass man das Miliarium benutzten darf, wenn man die Kohle auskehrt ist also: 1. Die Kohle wird durch den Wind angefacht 2. Man würde aus Sorge um seine Einzelteile kaltes Wasser zugießen.  Doch die Begründung warum man den Antichi nicht benutzten darf finde ich etwas seltsam, nämlich: weil es von seinen Wänden geheizt wird. Was bedeutet das? Die Wände heizen das Gerät weiter, obwohl keine Kohle drin ist?
Nach der Meinung von Rav darf man das Gerät betreiben, wenn man die Deckel aufmacht, doch der Bavli 41a widerspricht dem:

היכי דמי מוליאר הגרוף? - תנא: מים מבפנים וגחלים מבחוץ. אנטיכי, רבה אמר: בי כירי. רב נחמן בר יצחק אמר: בי דודי. מאן דאמר בי דודי - כל שכן בי כירי. ומאן דאמר בי כירי, אבל בי דודי - לא. תניא כוותיה דרב נחמן: אנטיכי אף על פי שגרופה וקטומה - אין שותין הימנה, מפני שנחושתה מחממתה

Ein Miliarium, hat Wasser auf der Innenseite und Kohlen auf der Außenseite (Andere Lesart: Kohle auf der Innenseite und Wasser auf der Außenseite) … Folgendes wird übereinstimmend mit R. Nachman gelehrt: Aus einem Antichi darf man nicht trinken, selbst wenn die Kohle entfernt oder mit Asche bedeckt sind, weil ihn der Boden wärmt.

Der Bavli sagt uns zunächst die Definition vom Miliarium: Wasser auf der Innenseite, Kohle auf der Außenseite, oder andersherum nach einer anderen Lesart (das macht die Sache komplizierter). Der Grund warum man aus der Antichi nicht trinken darf ist: Weil ihn der Boden wärmt.

Es ist mir nicht gelungen festzustellen was ein Antichi ist. Vermutlich ist es ein Gerät aus der syrischen Stadt Antiochia. Die Beschreibung des Bavli passt auf das große Gerät aus Pompeji,da man die Kohle nach unten legt und den Kessel von oben reinhängt. Die Ansicht des Jeruschalmi ist mir nicht verständlich. Rambam sagt, dass es sich von selbst heizen würde, wenn man die Kohle entferne. Zwar passt es auf keines der erwähnten Geräte, doch bei Heron von Alexandria gibt es einen interessanten Automaten:
Aus Herons Pneumatica


Dieses Gerät funktioniert wie alle oben erwähnten mit der Besonderheit, dass im Wasserzylinder noch ein Zylinder sich befinden. Dieser Zylinder ist gefüllt mit heißem Wasser, das schnell verdampft. Der Dampf geht durch das Rohr und kommt aus dem Mund der Figur. Dabei heizt er die in der Mitte liegende Kohle mehr an. Die Röhre an der linken Seite dient dazu Kaltes Wasser nachzugießen. Dabei schiebt das kalte Wasser das heiße Wasser nach oben. Auf diese Weise kann man immer heißes Wasser abzapfen. Zwar glaube ich nicht, dass dieses Gerät mit Antichi gemeint ist, doch finde ich es trotzdem eine interessante Erfindung die Kohle durch Dampf anzufachen.  

Zuletzt muss man sich die Frage stellen warum ein Antichi problematisch ist. Auch wenn er sich von selbst heizen würde, oder durch seinen Boden, oder durch seien Wände, warum ist das ein Problem. Man darf doch heißes Wasser am Vorabend des Schabbat auf einem Herd stehen lassen, sodass es für Schabbat warm bleibt, warum darf man es bei einem Antichi nicht? Nach Raschi liegt das Problem, dass ein fällt es unter das Gesetzt von Wärmeisolierung durch das Einwickeln in etwas. Die Mischna in Schabbat 4 beschreibt Materialien, die zur Wärmeisolierung benutzt werden dürfen. Nach der Meinung von Ritva ist ein Antichi verboten, weil man das Wasser vor Schabbat nicht genügend gekocht hat und der Antichi das Wasser am Schbbat sehr stark wärmen wird. Nach Raschba ist es verboten, weil die Menschen daran gewohnt waren ein Antichi immer zu befüllen, sodass man vergessen es sei Schabbat und kaltes Wasser nachgießt. Letztendlich bleibt die Frage offen. 

In diesem Bild versteckt sich eine Authepsa

Mittwoch, 24. Februar 2016

Mikwe aus einem Castellum?



In der Tosefta Miwaot 4,6 steht:

קסטלין המחליק מים בכרכין אם היה נקוב כשפופרת הנוד אין פוסל את המקוה ואם לאו פוסל את המקוה הלכה זו עלו עליה בני אסיה שלש רגלים ביבנה ולרגל השלישי הכשירוהו אפילו נקוב כמחט:

Ein Castellum, das Wasser in Sammelbecken verteilt, wenn es ein Loch hat in der Weite eines Trinkschlauch, ist die Mikwe tauglich. Wenn nicht, so macht es die Mikwe untauglich. Diese Halacha wurde von den Einwohnern von Asia drei Mal an die Mitglieder der Akademie in Jawneh gerichtet. Beim dritten Mal haben sie es erlaubt, sogar wenn das Loch die Weite einer Nadel hatte.  

Was ist ein Castellum? Vitruv schreibt darüber (8.6.1-2): „Wenn das Wasser an die Stadt kommt, errichte man einen Sammelraum (castellum) und mit diesem verbunden, zu Aufnahme des Wassers, ein dreifaches Reservoir, und bringe an dem Sammelraum drei in gleichmäßiger Verteilung zu den drei Reservoir Kammern führende Röhren an, welche Reservoirs so mit einander in Verbindung stehen, dass der Überfluss an Wasser in den beiden äußeren Kammern in die mittlere überfließt. An den mittleren Kammern sodann werden die Röhre angebracht, die zu allen Springbrunnen führen, aus der zweiten sollen sie zu Bädern führen... aus dem dritten zu den Privathäusern.“
Das Wasser, durch ein Aquädukt in die Stadt geleitet, wurde in einem riesigen Reservoir gespeichert; das war das Hauptreservoir, es heißt castellum aquarum. Von dort aus wurde es in kleinere castella geleitet, von wo aus es zum öffentlichen oder privaten Gebraucht verteilt wurde. Das Hauptreservoir war äußerlich ein dekoriertes Gebäude. Im Inneren war es eine riesige Kammer aus hartem Ziment mit einer Gewölbedecke, von Säulen gestützt. Das Wasser wurde durch Rohre in drei kleinere Reservoirs geleitet. Zwei davon versorgten öffentliche Bäder und private Häuser, das dritte Fontaine. Im Grunde ist es ein Wasserspeicher.
Castellum in Pompejii
Innenansicht



 

Das Castellum verteilt also das Wasser in der ganzen Stadt und ist somit ein Behälter כלי. Eine Mikwe wird untauglich, wenn die Wasserversorgung aus einem Behälter kommt. Das war ein ernstes Problem für die Menschen von Asia, weil sie keine andere Wasserversorgung für die Mikwe hatten. Asia wird mit Ezion-Geber bei Eilat identifiziert, wo es kaum Niederschlag gibt. Deshalb fuhren sie nach Jawneh, um eine Lösung zu finden.

Was war nun die Lösung? Rambam in Hilchot Mikwaot 6,4 schreibt:

הלוקח כלי גדול כגון חבית גדולה או עריבה גדולה ונקבו נקב המטהרו וקבעו בארץ ועשאהו מקוה ה"ז כשר.

Man nimmt eine große Tonne oder einen Trog und macht ein Loch, welches die Tonne tauglich macht. Dann befestigt man es mit der Erde und macht somit eine Mikwe.

Was nützt es, wenn man ein Loch in die Tonne macht? Durch das Loch ist die Tonne keine Tonne und somit kein Gefäß mehr, es kann nichts mehr dauerhaft aufnehmen. Rambam spricht davon, dass die ganze Tonne zu einer Mikwe wird, wenn es ein Loch hat. Beim Castellum ist das nicht der Fall; es war für die Menschen unmöglich das Castellum selbst als Mikwe zu benutzten. Es wurde von römischen Soldaten streng bewacht, damit niemand Wasser abzapft oder etwas beschädigt. Ich denke die Menschen aus Asia haben das Wasser aus dem Castellum in ihre Mikwe geleitet
Wie groß muss das Loch sein? Die Tosefta sagt כשפופרת הנוד, die Weite eines Trinkschlauchs. Das ist ein Rohr, das man in die Öffnung des Schlauches hineinsteckt, um dadurch Flüssigkeiten hineinzugießen. Das Rohr pflegte so weit zu sein, dass man Zeigefinger und Mittelfinger zusammen bequem darin herumdrehen konnte. Nun hatten die Menschen von Asia ein Problem, wie wussten nicht, ob das Castellum ihrer Stadt solch ein großes Loch hat. Deshalb hat das Gericht zu Jawneh entschieden, dass ein Loch von der Größe einer Nadel ausreicht. Dank dieser Erleichterung haben sie die Reinheit der Menschen sichergestellt. 

Ein altes Castellum in Rom, damals...
und heute.